Interaktives Fernsehen auf dem Prüfstand
Interaktives Fernsehen ist nicht Internet auf dem TV-Bildschirm. Darüber waren sich die Referenten beim „Salzburger Medientag 2004“ einig. Am Vortag der Münchner Medientage, am 19. Oktober 2004, hatte die Plattform Digitales Salzburg zum ersten Mal zu einem hochkarätig besetzten Forum zum Thema „interaktives Fernsehen“ nach Salzburg eingeladen. Der Plattform gehören all jene Institutionen an, die sich in Salzburg mit interaktivem Fernsehen beschäftigen – die Fachhochschule, die Universität, die Landesforschungsgesellschaft Salzburg Research sowie der Cluster Digitale Medien des Landes.
„Erste Aufgabe des Fernsehens wird es auch in der Zukunft sein, den Zuseher zu unterhalten,“ sagte etwa Robert Klüsener, Head of Creation von „Frisches Fernsehen“ in Hamburg. Sein Unternehmen realisiert interaktive Fernsehprogramme – TV-Konsumenten können übers Handy zum Beispiel auf dem Fernsehbildschirm gegeneinander spielen. Interaktive Angebote dürfen herkömmliches Fernsehen nicht ersetzen – dafür eignet sich das Internet besser. Interaktive Angebote müssen Fernsehsendungen ergänzen und attraktiver machen. Nicht nur Robert Klüsener formulierte beim „Salzburger Medientag 2004“ zwei Kriterien, die seiner Meinung nach Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg von interaktivem Fernsehen ist:
interaktives Fernsehen – einfach und unterhaltsam
Die Anwendungen müssen einfach sein, die Zuschauer müssen sofort verstehen, was sie wie machen können. Langwieriges Herumtüffteln wie vor dem Computer wird bei interaktivem Fernsehen nicht toleriert. Zum zweiten müssen interaktive Programme unterhaltend sein. Die Programminhalte müssen zum Mittun anregen, die Interaktion sollte selber Teil der Unterhaltung sein.
„Es hat sich gezeigt, dass bei aller Interaktivität das laufende Fernsehprogramm immer auf dem Bildschirm zu sehen sein muss“, berichtete Richard Burrell vom Shoppingsender QVC in London bei seinem Vortrag über Erfahrungen aus Großbritannien. Die geringe Anzahl der kostenlos zu empfangenden Fernsehkanäle hat das Vereinigte Königreich zu jenem Digital-Fernsehmarkt gemacht, der in Europa am weitesten entwickelt ist. Auf 40 Kanälen kann eingekauft, ersteigert und gewettet werden. QVC ist Marktführer. Die für heuer erwarteten rund 370 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet das Unternehmen bereits zu 35 Prozent aus inter-aktivem Fernsehen – der Fernsehzuseher kauft mit dem roten Knopf auf der Fernbedienung ein.
„Interaktive Applikationen funktionieren nur dann, wenn sie ihren Ausgangspunkt vom Fern-sehprogramm nehmen und dieses in den Mittelpunkt stellen. Sobald der Nutzer das TV-Bild verlassen muss, um die Anwendungen zu nutzen, sinkt sein Interesse rapide“, unterstrich Wilfried Rütten, Mitglied der „Plattform Digitales Salzburg“ und Studiengangsleiter „Digitales Fernsehen“ an der Fachhochschule Salzburg, die Ausführungen Richard Burrells. Nach Jahren der Stagnation, sagte Rütten weiter, entstünden bedingt durch die Kostenvorteile bei der Digitalisierung neue TV-Angebote mit entsprechenden Jobchancen für den qualifizierten Nachwuchs.
Salzburger Projekt „Interaktives Fernsehen“
Hochkarätige Fachleute aus Großbritannien, Deutschland sowie Österreich und rund 100 Besucher tauschten beim Salzburger Medientag Erfahrungen und Meinungen aus. Sie erhielten auch erste Einblicke in den Feldversuch „interaktives Fernsehen“. Das Projekt „iTV Salzburg“ (interaktives Fernsehen Salzburg) ist das erste gemeinsame Projekt der „Plattform Digitales Salzburg“, das maßgeblich vom Land Salzburg und der EU gefördert wird. Fachhochschule, Universität und Salzburg Research kooperieren mit der Salzburg AG, über de-ren Kabelnetz die interaktiven Fernsehanwendungen getestet werden; mit dem ORF-Landesstudio Salzburg, dessen erfolgreiche tägliche Informationssendung „Salzburg Heute“ eingespeist wird; mit den Salzburger Nachrichten, die die interaktive TV-Plattform mit aktuellen Nachrichten versorgen sowie mit dem Digitalen Mediencluster.
Ab Dezember 2004 werden 100 Kabelfernsehkunden der Salzburg AG drei Monate lang mit interaktiven Fernsehinhalten versorgt. Für die Testkandidaten ist Fernsehen damit nicht länger eine passive Beschäftigung, die maximal Programmwechsel und Ausschalten zulässt. Interaktives Fernsehen ist Fernsehen zum Mitmachen: Einkaufen, Kinokarten bestellen, SMS verschicken – all das ermöglicht interaktives Fernsehen. Die Testhaushalte geben ihr Feedback über den Mehrwert der interaktiven Applikationen, indem sie Fragebögen auf dem Bildschirm ihres Fernsehgeräts mit Hilfe der Fernbedienung ausfüllen. Die Forschungsgruppe kann so analysieren, wie die Konsumenten interaktives Fernsehen verwenden. Zu den geplanten Anwendungen gehören unter anderem ein Nachrichtendienst, der alle Viertelstunden aktualisiert wird. Videobeiträge werden in die Testhaushalte überspielt; ein elektronischer Programmführer, kurz EPG, liefert optisch ansprechend die Programmvorschau direkt im Fernseher.
Zukunftssicherer Standard als technische Grundlage
Ermöglicht wird das interaktive Fernsehen durch Settopboxen, die den Testhaushalten zur Verfügung gestellt und an das Fernsehgerät angeschlossen werden. Diese Box empfängt und verarbeitet nicht nur die speziellen digitalen Signale, sondern stellt über das Kabelnetz auch den Rückkanal, also die Verbindung zu den Programmanbietern her. Der Feldversuch wird über den von der EU empfohlenen Standard „Multimedia Home Platform“ verwirklicht.
Die Anwendungen für „iTV Salzburg“ werden vom Studiengang „Digitales Fernsehen“ der FH Salzburg verwirklicht; das Playoutcenter, das Hardware-Kernstück des Versuchs, wird vom Fachbereich Scientific Computing der Universität Salzburg bereit gestellt und betreut. Die begleitenden Untersuchungen übernehmen Salzburg Research und ICT&S der Universität Salzburg. Der Feldversuch dauert drei Monate, bis Ende Februar 2005. Wissenschaftliches Ziel ist es, mittels Rückmeldungen aus den Haushalten und der automatischen, datenschutzrechtlich unbedenkliche Auswertung des Anwenderverhaltens herauszufinden, wie die Testkandidaten interaktives Fernsehen annehmen.
Beim Medientag 2005 sollen die Ergebnisse des Projektes „iTV Salzburg“ präsentiert werden.